Genießerisch die feuchte Luft einatmend machte der graue Drache seine übliche Runde durch das Land. Mindestens alle drei Tage war es seine Aufgabe es einmal gänzlich zu überfliegen und nach dem Rechten zu sehen. Früher, bevor seine Artgenossen verschwanden war das nicht nötig gewesen, doch nun war er der einzige, der die Bedingungen des Tales erhalten konnte. Als Nebeldrache von Kasumi war er dazu verpflichtet die Wassermassen in der Luft zu sammeln und das zu bewahren, was vor Jahrtausenden von den ersten Iye Helki an diesem Ort geschaffen worden war. Damals hatten sie bestimmt noch nicht gewusst, dass sie eins der wenigen Reiche schafften, die den Menschen, die nach und nach alles zerstörten, Einhalt gebieten und sie somit ausschließen konnten. ...Noch. Grade gestern hatte Kiran wieder einen Menschentrupp bemerkt, der erstaunlich weit in das Sumpfgebiet eingedrungen war. Mit Müh und Not hatte er sie verscheucht ohne einen Kampf zu starten, verletzt zu werden oder auf andere Weise preis zu geben, dass hier noch immer zumindest ein Drache lebte. Trotzdem hatte es ihn stark verunsichert. Die zweibeinigen Nacktaffen mit ihren verkümmerten Läufen drangen immer tiefer in die Nebelschwaden ein und zertörten bereits jetzt teilweise das Gleichgewicht mit ihren todbringenden Waffen und den nebelfressenden Fackeln. Er hatte ihre befestigten Wege zerstört, doch die Befürchtung lag nahe, dass sie so dreist waren, sich davon nicht beeindrucken zu lassen.

~Naja, ich kann sowieso nicht mehr tun. Hoffentlich wird der Tag an dem sie Kasumi einnehmen nie kommen.~

(allein; Fliegt nahe des westlichen Endes von Kasumi)

Ruhig und bedächtig berührte eine feste Pranke nach der anderen den sumpfigen Boden. Der Nebel kräuselte sich gemeinsam mit einem leichten Schattenfilm über der schuppigen Haut des schwarzen Ungetüms und bildete dort ein Schauspiel, das manch einen wohl an das Bild von Ying und Yang erinnern konnte - denn der Nebel wirkte wie zu dampf gewordenes Licht gegenüber der tiefen Nacht die den Besucher umgab.

Ein irrlichthafter Blick starren und lichtlosen Leuchtens beobachtete die Umwelt, prüfte den Boden, wagte ab und an auch eine Sicht hinauf - dort hin, wo ein Himmel zu sein hatte. Doch der Nebel war dicht, dicht wie die düsteren Wolkenketten, die den Tag für ihn angenehmer machen konnten. Wann würde er ankommen? Er wusste es nicht. Er wusste auch nicht, warum in den Schatten schon so lange keiner der Ihren mehr gewesen war - er folgte nur. Er folgte einem Ruf der ihn zu einem Ort führen würde, an dem er zuvor noch nie gewesen war. Zu einem Grund, den er nicht kannte, der ihn früh erreicht hatte, vielleicht früher als andere. Denn die Schatten gaben oftmals ein sanftes Flüstern von sich, gaben die Geschehenisse der Welt preis, doch sie erzählten nie genug.

Ein steinerner Turm in den gleißenden und hellen Nebeln bot einen noch gräulichen und zarten Schatten inmitten des lufthergestellten Lichtes. Der Drache fühlte den Schutz, die Anziehung die von diesem Bereich ausging, der für ihn ein Stück Welt bedeuten musste. Und so sah man von Oben wohl nur das riesenhafte schwarze Wesen, das in den Schatten trat und aus dem zaghaften Grau eine tiefe, engere Nacht formte.
Der sanfte schwarze Schattenfilm drängte das Nebellicht mehr und mehr zurück und verdichtete den unsicheren Schatten des Felsenturmes zu einem tiefen Schwarz, in dem nur noch zwei Irrlichter stummen dunklen Leuchtens zu leben schienen.

Der Drache selbst verspürte Erleichterung. Wo auch immer er war, er würde bald wieder fliegen müssen und etwas Ruhe in den Schatten war genau das, was er nun als Angenehm empfand.

[Wandert druch den Nebel || Erschließt sich einen Schatten || Rastet]

Ruhig und ohne jegliche Hast wandten sich die irrlichtartigen Augen langsam dem weißen Drachenwesen zu, das ihn angesprochen hatte und dort oben hockte wie ein Narr vor dem König selbst. Nun denn, er sollte also ein Freund sein? Wer hatte das entschieden? Der fremde lichte Drache über ihm? Er antwortete nicht direkt. Seine Stimme erhob er nur selten und so war er es nicht gewohnt jedem dahergelaufenen Drachen zu Antworten, der das Wort an ihn richtete.

Nun gut, in diesem Fall würde er anerkennen das man sich vorgestellt hatte. Kiran hieß er also und zumindest wandte er sich höflich an einen Fremden. Wenngleich der riesenhafte Drache keinen Grund darin sah einer Ratte die im Nebel an einem Felsen hing eine Frage wie jene zu beantworten, die er nach seinem Dasein an diesem Ort gestellt hatte. So etwas war eine Sache, die Selbstverständlich nicht jeder zu erfahren hatte. Dennoch zwang er sich leicht den Kopf zum Gruße zu senken - was allerdings in einer Senkung von nur wenigen Zentimetern ausartete, die demnach wesentlich geringer war, als bei seiner Größe normal oder angebracht. Mehr war seiner Meinung nach gegenüber einem solch aufdringlichen Drachen nicht notwendig.

Um noch einmal auf seine Frage zurückzukommen, nein er durfte nicht, aber man sah deutlich das er nichts mit seiner Art zu tun hatte und so begegneten die Irrlichter den grünen Drachenaugen seines Fragestellers kühl und unbeirrt an. Ganz so, als würde er in sein innerstes hinein sehen, während die Schatten sich um den Drachen herum langsam an seinem Dasein kräuselten. Dann aber, erhob er leise und kratzend seine Stimme:
"Man nennt mich Vargach, Kiran. Wieso wollt ihr wissen, was mich hier her führt?"

Wirklich, warum wollte er das? Der Blick der Irrlichter lag prüfend auf dem viel kleineren Drachen. Prüfend und Kritisch. Hatte er den Ruf noch nicht vernommen? Vielleicht galt er nur den Seinen..

Gefangen war er also, dieser helle Drache dem er hier im Schutz des Dimmlichtes begegnet war. Gefangen im Nebel, wie ihn der Schatten als sein Eigen hielt. Der schwarze Drache konnte verstehen, nachempfinden, wie es seinem Gegenüber ging. Bis zu einem gewissen Grad, jedoch weit genug, um ein eigenes Bild in seinem Geiste entstehen zu lassen. Das Bild eines Wesens, in einem viel zu kleinen Bereich. Durch Gitter von der Außenwelt auf ewig abgedrängt. Was er empfand war etwas, was man im entferntesten Sinne als Mitleid bezeichnen konnte. Zumindest in so weit, dass er sich entschied, dem Hellen zu antworten. Weiterhin ruhte der Schatten so in sich selbst und das Dunkel kräuselte sich zart an seinen feinen Schuppen.

Eine Antwort auf diese Frage zu formulieren erschien ihm aufwändig. Eigenartig und doch nicht unwichtig genug, um dem zu versagen. Sein Blick nahm das neugierige, aufgeregte Verhalten des anderen Drachen wahr und verfolgt es mit einer Ruhe, die nur bewies, dass jene Aufregung nicht an die Seele dieses Schattens gelangen konnte. Dennoch spürte er seinen Griff, wusste was es bedeutete, schließlich war doch dies jene Art der Kommunikation, die ihm am ehesten lag. Sprache jedoch, Sprache verwehrte einem die Möglichkeit des Eindrucks. Jene Möglichkeit unmissverständlich und klar zu kommunizieren, zu zeigen, zu verstehen. Sprache jedoch erzwang das Übel missverstanden zu werden, seine Worte mit bedacht wählen zu müssen und eben jene Worte nicht zu vergessen. Denn jene, so wusste er bereits, wurden jeh und dort nochmals gefordert, obgleich ihre Bedeutung längst verflogen sein konnte.

Sein Haupt neigte sich leicht, ehe er erneut seine Stimmbänder bemühte jene Wortlaute auszustoßen, dessen er nicht gewohnt war. "Kiran, mein Verbleib dient der Ruhe vor dem Tag. Meine Reise geschah durch einen Ruf, den gewiss auch Ihr vernommen habt. Auch mir ist nicht genug über die Welt außerhalb eures Nebelschutzes bekannt. Vielleicht gibt es Kämpfe, vielleicht gute Neuigkeiten, dennoch ist es ein Grund uns alle zu Rufen. Mein Heim ist kalt und stumm, es erzählt ebensowenig über die Welt, wie es euer seichtes Wolkendicht hier tut."
Ja, diese Worte erscheinen ihm richtig. Sie konnten nicht zeigen, was er wusste, was er gesehen hatte oder was ihm geschah. Und doch gaben sie seine Unwissenheit gegenüber dem Preis was nicht nur der lichte Drache, sondern auch der Schatten vor ihm erfahren wollten.